An meinem altehrwürdigen Gymnasium in Gross-Gerau prangte über dem Haupteingang der Schriftzug „Wissen ist Macht“. Das Gebäude stammte noch aus der Zeit des vorvorigen Jahrhunderts und mich hatte bereits damals als Halbwüchsiger verwundert, dass das an Schulen vermittelte Wissen keine Macht gehabt hatte, Kriege und andere schlimme Entwicklungen in Deutschland und in der Welt zu verhindern.

Indes ist es nunmehr nicht mein Anliegen, die Relation von Wissen und Macht zu analysieren. Ich möchte vielmehr das Wissen als intellektuelles Besitztum, das dem Menschen Tür und Tor zu Sinnerfüllung und Glückseligkeit öffnen soll, ein wenig in Frage stellen. Dabei sei an dieser Stelle ganz klar erwähnt, dass diese meine Gedankengänge nicht für Leser im schulpflichtigen Alter geeignet sind.

Ohne Wissen können wir nicht überleben. Auch kann Wissen Leid abwenden, sofern wir zum Beispiel um die Fehler in der Menschheitsgeschichte wissen und daraus lernen (könnten). Mein Anliegen besteht darin, zu bedenken zu geben, dass ein rein rationales Wissen uns keine Antwort auf unser Leben und dem darin versteckten Sinn im Unsinn geben wird.

Eine der wenigen Erkenntnisse, deren ich ganz sicher sein kann, ist die Erfahrung, dass ich immer „dümmer“ geworden bin, je mehr ich den Dingen auf den Grund gehen wollte. Ich habe sechs Jahre naturwissenschaftlich geforscht und dabei auch einige Türchen öffnen dürfen. Nur – es war immer wieder noch eines dahinter. Das haben viele der ganz großen Physiker, Mathematiker, Biologen, Dichter und Komponisten in fast schockierender Eindeutigkeit erfahren: „Je mehr ich weiß, umso mehr weiß ich, dass ich nichts weiß.“ Das soll andererseits nicht heißen, dass die Betreffenden nicht einen Ansatz von Ahnung hatten, was die Wirklichkeit angeht.

Die moderne Forschung beweist jedoch zunehmend, dass das, was wir als Realität wahrnehmen, nicht hundert Prozent der absoluten Wirklichkeit entspricht. Ich möchte das nicht weiter anhand der Relativitätstheorie, Quanten-Physik und Erforschung von Parallel-Welten konkretisieren. Aber es sind weiß Gott keine Spinner, die aufgrund ihrer Forschungsergebnisse behaupten, dass die Welt nicht rational, sondern trans-rational, wenn wir so wollen sogar irrational organisiert ist. Der Physiker Max Planck bekannte in seiner Rede anlässlich des an ihn verliehenen Nobelpreises: „Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte. Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms: Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“

Ich leite da jetzt mal ein persönliches Fazit ab: Es ist zweifelsohne von Vorteil, einen Personalausweis zu besitzen, in dem steht, wie ich heiße, wann ich geboren wurde und wie alt ich bin. Dahinter steht aber die spannende Frage: Weiß ich, wer ich wirklich bin?

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