„Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus.“ – Wer kennt nicht diese Weisheit des Volksmundes. Nur wir beachten sie kaum. Wir pochen auf unser Recht, und zwar mit Nachdruck. Wenn es sein muss, auch eine Stufe stärker mit aggressiveren Drohungen. Nun versuchen Sie mal ein wenig inne zu halten und sich an Situationen zu erinnern, in denen Sie sich auf Gedeih und Verderb durchsetzen wollten. Vielleicht hatten sie damals vordergründig den Eindruck der Genugtuung, dass Sie den Kampf gewonnen haben. Nur wie viel Federn mussten Sie selbst dabei lassen, ohne es bewusst zu merken? Und wie groß war der durch Ihre Vehemenz entstandene Scherbenhaufen nach einem heftigen Streit?
Ich predige mit dem bisherigen Überlegungen nicht, dass wir die andere Backe auch noch hinhalten sollten, wenn uns jemand verletzt hat. Aber auch das „Auge um Auge – Zahn um Zahn“ macht keinen Sinn. Wir haben es leider nur in den seltensten Fällen gelernt, ausgewogen zu kommunizieren und so zu „streiten“ (besser: zu verhandeln), dass es keine schlimmen Wunden und Narben hernach gibt. Da ich gerne in Bildern denke, stellen Sie sich mal vor: morgens um halb Sieben, als Sie gerade noch ein süßes Träumlein zu Ende träumen wollten, fängt draußen ein Presslufthammer zu rattern an. Daraufhin schwillt Ihnen der Kamm: „Eine Unverschämtheit ist das! Jetzt um diese Zeit! Ich werde mich beschweren!“ – Gegen die Beschwerde wäre ja grundsätzlich auch nichts einzuwenden. Nur in dieser Verfassung mit Wut und Zorn bis „Oberkante Unterlippe“ schaffen Sie ein energetisches Feld von entsprechend negativer Qualität. Der Ärger steigt dann noch bei der Erkenntnis, dass bei den Behörden vor anderthalb bis zwei Stunden niemand zu erreichen ist.
Anstatt jetzt die letzte Prüfung für´s HB-Männchen (die Älteren kennen das noch aus der Zigaretten-Werbung) auch noch zu absolvieren, könnten Sie das Experiment wagen, tief durch zu atmen und die Situation eine Sekunde mal so sein lassen, wie sie ist. Ohne Bewertung, einfach wahrnehmen „Ah, da sind laute Geräusche draußen“. Ich nehme sie wahr und versuche, den Augenblick in seinem So-Sein so gut wie möglich stehen zu lassen. Und dann gehe duschen und frühstücken und um Acht ans Telefon. Nicht mehr Wut verkrampft, sondern so ruhig wie es mir in diesem einen Moment, der gleich wieder in den anderen übergeht, möglich ist. Und – oh Wunder, am anderen Ende der Leitung meldet sich in einem freundlich Ton die zuständige Stelle des Straßenbauamtes. Als ich meine Beschwerde vorbringen möchte, hört der Lärm urplötzlich draußen auf. Na so was? Ich schildere die Situation und bitte darum, dass zukünftig doch auf einen erträglichen Zeit-Beginn lauter Arbeiten geachtet wird.
Die andere Seite zeigt Verständnis und verspricht, Störungen zur Unzeit zu vermeiden.