Dass unser Willen manchmal fast schizophrene Kapriolen schlägt, sieht man am Beispiel des so genannten Sekundär-Gewinnes von Krankheit: Ohne es vorsätzlich zu wollen, können wir unsere Krankheit benutzen, um andere Menschen zu beeinflussen. Beispiel: Seit Jahren kommen „die junge Leut“ nicht zu ihrem berechtigten Urlaub im Süden, weil jedes mal am Tag vor dem Abflug die Oma einen knackigen Herzkasper mit Tatütata, Intensivstation und allem drum und dran bekommt. Sobald die Reise storniert ist, geschieht das Wunder der spontanen Genesung: Oma ist wieder auf dem Posten und kann nach Hause. Es handelt sich dabei nicht um einen bewussten Vorsatz,
geschweige denn Boshaftigkeit. Die Dinge geschehen unbewusst. Krankheit ist für einsame Menschen oft die einzige Möglichkeit, Zuwendung zu bekommen, auch wenn es nur das Blutdruckmessen ist.

Noch eine Verrücktheit aus meinem eigenen Erfahrungsbereich. Vor über dreißig Jahren ging es mir seelisch miserabel. Obwohl mir das Wasser bis zum Hals stand, wollte ich keine fremde Hilfe in Anspruch nehmen. „Ich kenne doch meine Probleme. Wer soll mir denn da helfen? Ich muss das doch selber lösen.“ – Und so weiter. Ich bezeichne mein damaliges Baden im Selbstmitleid aus heutiger Sicht gerne als „gemütliches Elend“: Wenn wir etwas lange genug kennen, dann ist es uns vertraut. Auch wenn es belastend ist, so haben wir dennoch die Kontrolle darüber. Kontrolle wiederum bedeutet Macht. Unser Ego liebt die Macht. Was, wenn ich jetzt neue Wege beschreite, wo es zwar besser werden könnte, aber ich keine Kontrolle mehr darüber habe? Da schreckt der kleine Mann im Ohr, der mir immer einflüstert, wie die Welt zu gehen hat, zurück. Hier ist nun mein Wille und meine Entscheidung gefordert: Will ich wirklich gesund werden? Ja, so seltsam es klingen mag, für Gesundheit müssen wir uns entscheiden. Auch wenn wir dann, wenn wir geheilt nichts mehr zu jammern haben und unser Leben selbstverantwortlich in die Hand nehmen müssen.

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