Wie der Mut und die Freude, so gehört auch die Angst zur menschlichen Natur. Sie ist überlebensnotwendig, wenn Gefahr von außen droht, zum Beispiel in Form eines
herannahenden Fahrzeuges beim Überqueren der Straße. Auch die ausgeprägte Angst beim Erleiden eines Herzinfarktes, also Gefahr von innen, führt zu sinnvoller
Gegenreaktion, indem man die schnellstmögliche medizinische Hilfe einfordert.

Aber Angst kann auch ihre Schutzfunktion verlieren und sich verselbständigen. Angst vor Dunkelheit, Spinnen, geschlossenen Räumen, hohen Standpunkten und vieles mehr, ist irreal und macht keinen Sinn. Dennoch ist es für die Betroffenen, die unter solch einer Angststörung oder Phobie leiden fast unmöglich, sich aus eigener Kraft davon zu befreien. Im Gegenteil: je mehr man versucht, dagegen anzugehen, um so schlimmer wird es. Da ist die Panikattacke auf dem Sprung.

Als Konsequenz werden Vermei-dungs-Strategien ausgeheckt. Ich betrete einfach keinen Fahrstuhl mehr, gehe nicht auf öffentliche Veranstaltungen, fliege nicht in ferne Länder und steige nicht auf hohe Berge. Hierdurch wird jedoch die Angststörung immer mehr stabilisiert, wenn nicht sogar verstärkt. Meist reicht dann
lediglich der Gedanke an eine scheinbar bedrohliche Situation aus, um einen Affen zu kriegen (”Angst vor der Angst“).

Die Ursachen für die Entwicklung einer Angststörung sind komplex. Ein überbehütender, ängstlicher Erziehungsstil, der dem Kind nichts zutraut, ein ängstliches Naturell der Eltern („Erziehung zur Angst“), oder auch traumatisierende
Erfahrungen wie Gewalt in der Familie, sexueller Missbrauch, Alkoholismus, sowie reale Situationen, in denen Panik erlebt wurde, zum Beispiel Steckenbleiben im Aufzug, Hundebiss, Eingeschlossensein nach Autounfall, Trennung, Arbeitsverlust, können zu krankhaften Angstzuständen führen.

Bei alledem sind Phobiker , also Menschen, die unter Panik und unbegründeten Angstzuständen leiden, hochsensible, intelligente Wesen. Eine Dumpfbacke kommt schwerlich ins Grübeln, ob da irgendwo eine Gefahr lauern könnte. So litt auch
das Universalgenie Johann Wolfgang von Goethe an Phobien. Der große Dichter und Naturwissenschaftler konnte kein Blut sehen und auch nicht auf hohe Türme steigen. Er entwickelte intuitiv seine eigene Therapie, die auch heute noch in Form einer Konfrontation mit dem Angstauslöser verhaltenstherapeutischer Standard ist: Er besuchte Anatomie-Vorlesungen, setzte sich zunächst in die hinterste Reihe des Hörsaales, um dann bei den folgenden Lehrveranstaltungen immer eine Reihe weiter nach vorne zu rücken, bis er schließlich in der ersten Reihe die Bauchauftrennung einer Leiche hautnah aushalten konnte. Ähnlich verfuhr er mit seiner Höhenangst, in dem er immer, wenn er an einem Kirchturm vorbei kam, ein paar Stufen hinauf stieg, bis er irgendwann ganz oben stand. Wichtig dabei ist die Ausgewogenheit zwischen mutiger Überwindung und Abbruch der Aktion, wenn die Panik einen Grenzwert übersteigt. Also sich der Problematik stellen, ohne sich mit Zwang zu überfordern.

Medikamentös können Angststörungen mit entsprechenden Psychopharmaka runter gekühlt werden. Die Therapie gehört in die Hand erfahrener Neurologen, weshalb ich meinerseits keinen weiteren Senf mehr dazu geben will. Es können dann durch diese Medikamente positive Referenzerfahrungen gemacht werden, die sich auf der Festplatte im Unterbewusstsein abspeichern und der Spuk löst sich bestenfalls nach und nach auf, ohne dass die Medikation lebenslang fortgesetzt werden
müsste. Psychotherapie, vor allem die verhaltenstherapeutischen Ansätze, sollten unbedingt mit ins Behandlungsboot.

Übrigens hatten die alten Mönchs-Väter in der Wüste noch folgenden Trick: sie haben die Dämonen ausgelacht.

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