Interview „Die Kartoffel in der Volksheilkunde“
Interview (I) mit Detlef Eichberg (DE) zum Thema „Die Kartoffel in der Volksheilkunde“
I: Welchen Stellenwert nimmt die Kartoffel Ihrer Meinung nach in kulinarischer Hinsicht und schließlich auch in der Heilkunde ein?

DE: Die Entdeckung der Kartoffel in den Hochländern Südamerikas durch den Eroberer Pizarro um das Jahr 1520 kann rückblickend als wahrer Segen und Bereicherung der Grundnahrungsmittel-Palette in Europa angesehen werden. Allerdings dauerte es noch gut 200 Jahre, bis Solanum tuberosum, so der wissenschaftliche Name der Kartoffel, als Nahrungs-Quelle und Vitamin-C-Lieferant gegen Skorbut (eine gefürchtete Mangelerkrankung bei Seefahrern) zum Einsatz gelangte. Zuvor führte das Nachtschattengewächs zu dramatischen Vergiftungen, da man statt der ungiftigen Knolle die überirdischen Kraut-Anteile mit ihrem Gehalt an toxischem Solanin verzehrte.

I: Landauf, landab ist die regionale Küche von Kartoffelgerichten geprägt, obwohl die Erdäpfel immer wieder als „Dickmacher“ verteufelt werden. Wie gesund ist die Kartoffel wirklich?

DE: Heutzutage kann man besonders in deutschen Landen die Kartoffel als Nahrungsmittel höchster Priorität bewerten – jeder Deutsche verzehrt im Durchschnitt 65 Kilogramm pro Jahr.
In Form gekochter Beilage, als Salat oder Püree liefert die Knolle bei 100 Gramm lediglich 70 Kilokalorien, kann also mitnichten als „Dickmacher“ angesehen werden. Bei Pommes frites, Chips oder Bratkartoffeln hingegen schlägt der hohe Fettanteil allerdings kalorisch zu Buche.
Bei alledem enthält besagtes Nahrungsmittel wertvolle Bestandteile wie Stärke als Energiespender, Eiweiß und Aminosäuren für Muskelaufbau und Organe, sowie etliche Vitamine und Mineralstoffe, die das körperliche und geistige Wohlbefinden fördern.

I: In welchen Bereichen sagt man der Kartoffel vor allen Dingen Heilwirkung nach?

DE: Außer ihrer geschmacklichen Beliebtheit und ernährungsphysiologischen Vorteilen gilt die Kartoffel als probates Heilmittel in der Volksmedizin: Mit Schale gerieben und mit etwas Milch oder Kokosöl zu einem streichfähigen Brei verrührt, entfaltet die Kartoffel als Auflage einen lindernden Effekt bei rheumatischen Entzündungs-Schüben, Verstauchungen oder auch Mückenstichen. Der besonders in den Schalen vorkommende Wirkstoff Quercetin ist hierbei für die entzündungshemmende Eigenschaft verantwortlich. Zudem wird die kühlende Wirkung als angenehm empfunden. Als dick geschnittene Scheiben auf die Stirn gelegt, wirkt die Kartoffel lindernd bei Kopfschmerzen. Darüber hinaus soll z. B. die Inhalation der Dämpfe gekochter Schalen bei Stirnhöhlenentzündung oder das Aufstreichen von rohem Kartoffelbrei auf die betroffenen Stellen bei Hautproblemen helfen.

I: Die Kartoffel wird also rein äußerlich zur Gesundung eingesetzt?

DE: Ja und nein, die Kartoffel lässt sich sehr vielseitig einsetzen. Sicherlich gibt es in fast jeder Familie noch ein altes Hausrezept, in dem die Kartoffel als Heilmittel eingesetzt wird – beispielsweise der klassische Kartoffelwickel gegen Halsschmerzen. Wissenschaftlich belegt ist auf jeden Fall, dass die „tollen Knollen“ aufgrund ihrer Säure-bindenden Eigenschaften eine Wohltat bei Sodbrennen und Magenschleimhaut-Entzündungen sind. Die basischen Eigenschaften von Kartoffelsaft kann man sogar mit einem kleinen Versuch im Labor beweisen: Der durch Entsaften oder Auspressen geriebener Kartoffeln gewonnene Saft wird in einem Glas mit etwas Wasser verdünnt und ein Säure-empfindlicher Indikator hinzu gegeben.
In ein weiteres Glas füllt man nur Wasser mit ein paar Tropfen dieses Phenolphthalein- Indikators. Gibt man nun eine kleine Menge Salzsäure in das Wasser ohne Kartoffelsaft, so färbt sich die Lösung schlagartig rot – ein Hinweis, dass die Lösung „sauer“ ist. Verfährt man dann gleichermaßen mit dem Kartoffelsaft und tropft Säure hinzu, so ändert sich die Farbe nicht, da die basische Eigenschaft der Kartoffel die Säure neutralisiert.

I: Sie können die Kartoffel also zu Genuss- und Heilungszwecken bedenkenlos empfehlen?

DE: Absolut. Solanum tuberosum stellt viel mehr als ein Grundnahrungsmittel dar und nimmt einen wichtigen Platz in der Volksheilkunde ein.

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